Kulinarischer Stadtrundgang durch die Dresdner Neustadt

Eine Foodtour, d.h. ein geführter kulinarischer Stadtrundgang mit jeder Menge Kostproben an verschiedenen Stationen, ist eine feine Sache... das hatten wir ja im letzten Jahr schon in Rom, in Ljubljana und auch in Riga, wo der Fokus der Tour allerdings auf Getränken lag, festgestellt. Kulinarische Spezialitäten, Restaurants und Geschäfte zu entdecken macht allerdings nicht nur im Urlaub Spaß, sondern ist auch in der eigenen Stadt eine lohnende Erfahrung. Das dachten sich auch meine ehemaligen Kollegen, die mir im letzten Jahr als Abschiedsgeschenk vor meinem Umzug von Leipzig in meine Heimatstadt Dresden u.a. einen Gutschein für eine Foodtour mit Eat the World in Dresden schenkten.

Ecke Louisenstraße/Rothenburger Straße

Hier in Dresden kann man zwischen zwei Rundgängen wählen, die entweder durch die historische Altstadt oder aber durch die Neustadt am anderen Elbufer führen. Die Neustadt war zu DDR-Zeiten ein Viertel, dem keine Beachtung seitens der herrschenden Eliten zukam, was einerseits dazu führte, dass historische Altbausubstanz erhalten blieb und nicht zugunsten der Errichtung von Plattenbauten planiert wurde. Andererseits bedeutete das jedoch auch, dass sich die Häuser in einem weitestgehend desolaten Zustand befanden. Deswegen siedelten sich in den 1970er- und 80er-Jahren vorwiegend Menschen, die auf "offiziellem" Weg keine Wohnung bekamen, in der Neustadt an, etwa politisch Andersdenkende, kritische Künstler, etc. Die Wende kam hier gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass das Viertel letztendlich doch abgerissen wird... denn die Pläne dafür lagen Ende der 80er-Jahre bereits in der Schublade.

Hinterhof-Fundstück :-)

In den 90er-Jahren wurde in der Neustadt selbstverständlich viel saniert, sie erhielt sich jedoch ihren unangepassten, kreativen, zum Teil auch radikalen, in jedem Fall besonderen Charme. Als ich damals in der Nähe von Dresden wohnte, war ein Besuch in der Neustadt für uns auf jeden Fall immer etwas Spezielles und man wusste nie, welche spannende Entdeckung man wohl dieses Mal machen, in welche noch unbekannte Bar oder Kneipe es einen verschlagen und wie der Abend letztendlich enden würde. Heutzutage hat sich die Neustadt dieses Gefühl natürlich auch weiterhin ein gutes Stück weit bewahrt, gleichzeitig ist sie mittlerweile auch so etwas wie der Prenzlauer Berg von Dresden. Viele Bewohner gründen Familien, die Kinderwagendichte ist beeindruckend hoch (Dresden ist die kinderreichste Großstadt Deutschlands, und innerhalb Dresdens verzeichnet... genau, die Neustadt prozentual zur Einwohnerzahl die meisten Geburten), an jeder Ecke sprießen schicke Cafés mit Matcha Latte und Chiapudding oder angesagte Burger-Restaurants aus dem Boden. Die Mietpreise steigen und so einige der traditionellen Bewohner können sich die Neustadt nicht mehr leisten - die typische Gentrifizierung nimmt auch hier ihren Lauf. Doch trotz aller übergreifenden Prozesse, die sich auch in vielen anderen Städten beobachten lassen, hat sich die Neustadt ein kreatives, besonderes Flair bewahrt - und genau das galt es im Rahmen der Foodtour zu ergründen.

Auf dem Kunsthofpassagen-Fest


Und so machen wir uns an einem sonnigen Samstagvormittag Ende April auf in die Neustadt und treffen uns mit den anderen Teilnehmern und unserem Guide Cindy an der Ecke Königsbrücker Straße/Louisenstraße. Schnell wird klar, dass die Gruppe zum einen mit über 15 Personen ziemlich groß ist und dass zum anderen Cindy eine ziemliche Ulknudel ist. Das ist natürlich Geschmackssache, uns jedoch ist ihre Art etwas zu krawallig und gewollt-lustig. Vielleicht liegt es jedoch auch ein Stück weit daran, dasss wir noch müde sind (für Wochenendverhältnisse mussten wir für die Tour relativ zeitig aufstehen) und auch langsam der Magen knurrt (Frühstück haben wir in Erwartung der reichlichen Probier-Portionen natürlich ausfallen lassen). Der Start in die Tour ist also etwas durchwachsen, aber schauen wir doch mal, was die erste Station zu bieten hat...

Café Kontinental an der Ecke Louisenstraße/Görlitzer Straße

...zu dieser ist es zum Glück nicht weit, denn die Feinbäckerei Rißmann befindet sich direkt auf der anderen Straßenseite. Die Bäckerei blickt auf eine lange Tradition und einen berühmten Kunden zurück, denn in dem 1908 gegründeten Geschäft kaufte schon Erich Kästner regelmäßig seine Eierschecke und ließ sie sich später nach seinem Umzug nach München sogar dorthin liefern. Noch heute ist die Eierschecke der wohl berühmteste Kuchen im reichlichen Angebot der Bäckerei, die weiterhin nach traditionellen Rezepten und mit hochwertigen, vorwiegend regionalen Zutaten, bäckt. Wem es nichts sagt: Die Eierschecke ist ein sächsischer Kuchen-Klassiker, der aus drei Schichten besteht. Unten fluffiger Hefeteig, darauf eine säuerlich-frische Quarkschicht und obendrauf die leckere Schicht aus schaumig geschlagenen Eiern mit Zucker. Unbedingt einmal probieren, wenn ihr in Sachsen seid! Auch wir verkosten bei Rißmann ein Stückchen Eierschecke sowie ein Stück simplen Streuselkuchen. Beides schmeckt nach guter Butter, heimelig und ja, eben "wie früher". Mit feinstem Kuchengeschmack auf der Zunge und zufriedenem Lächeln schlendern wir weiter.

Original sächsische Eierschecke in der Feinbäckerei Rißmann

Wie sich herausstellen sollte, wird es jedoch ein ziemlich langes "Schlendern". In den nächsten 1,5 Stunden geht es kreuz und quer durch die Neustadt, wobei Cindy uns im Wesentlichen die Dinge erzählt, die ich eingangs geschrieben habe, aber natürlich auch noch auf das ein oder andere Gebäude speziell eingeht, z.B. auf die ehemalige Schokoladenfabrik von Jordan & Timaeus. Die Ausführungen sind durchaus nicht uninteressant, aber der Haken ist... es gibt in diesen gesamten 1,5 Stunden nichts zu essen. Mir hängt der Magen langsam in den Kniekehlen, denn es ist mittlerweile fast 13 Uhr und bis auf ein kleines Stückchen Kuchen habe ich noch nichts gegessen. Und Hunger macht mich mitunter maulig... nun reicht es mir, der nächste Essens-Stop soll her!

Hunger...?!?!?!

Zum Glück ist es dann endlich soweit, wir schwenken ins Käseeck Schlüter in der Rothenburger Straße ein. Dieses Geschäft für Käse, Wurst, Salate, Obst und andere Feinkost kannte ich tatsächlich noch nicht - gut, dass sich das jetzt geändert hat. Denn in dem kleinen Geschäft kommen Feinschmecker auf jeden Fall auf ihre Kosten und ich aus dem Staunen über all die leckeren Käse- und Wurstsorten nicht mehr heraus. Wir erhalten eine Platte zum Verkosten, auf der sich eine kräftige Wildschweinwurst, kleine Cracker mit einem leckeren Hartkäse und Feigensenf sowie Brotscheiben mit einem sächsischen Weichkäse und Himbeeren befinden. Schmeckt alles sehr gut, wobei die Wildschweinwurst mein Favorit ist. Zum Abschluss wird dann noch eine echte Spezialität des Hauses serviert: die Dresdner Berle (Perle). Dabei handelt es sich um einen würzigen Hartkäse aus pasteurisierter Schafsmilch, der von Hand in Kugelform gebracht wird. Es gibt ihn mittlerweile in fünf Geschmacksrichtungen, wir verkosten die weitestgehend pure Variante mit Knoblauch. Der Käse wird ähnlich wie eine Trüffel gehobelt und z.B. einfach mit Pasta, Öl und frisch gemahlenem Pfeffer vermischt verspeist.

Das sieht doch gut aus!... Käseeck Schlüter

Kaum haben wir die Berle verspeist, wartet auch schon der nächste Stop... und ab jetzt geht es wirklich Schlag auf Schlag, in 1,5 Stunden absolvieren wir ganze sechs Probierstationen. Die nächste befindet sich nur wenige Meter vom Käseeck Schlüter entfernt, ebenfalls auf der Rothenburger Straße... das Sprout. Das Sprout hat sich auf die Fahnen geschrieben, ein "gesundes Fast-Food-Restaurant" zu sein, getreu dem Motto "Eat well, feel good!". Die Gäste erwarten Salate, Sandwiches, Suppen, Curries, Desserts und Smoothies, die ausnahmslos aus Bio-Zutaten bevorzugt von regionalen Erzeugern hergestellt werden. Ein sehr begrüßenswertes Konzept! Wir probieren hier ein vegetarisches indisches Curry mit Möhren und Kichererbsen. Es schmeckt gut, bleibt mir aber im Nachhinein nicht besonders in Erinnerung - was vielleicht jedoch auch daran liegt, dass ich ähnliche Curries recht häufig selbst koche und sie somit für mich nichts "Exotisches" mehr sind.


Make your own lunch - im Sprout

Nach dem Sprout wartet erneut schon wenige Meter weiter, um die Ecke in der Böhmischen Straße, das nächste Restaurant auf uns. Wer es nicht kennt, kommt im Angesicht des Raskolnikoffs erst mal ins Grübeln. In diesem quasi abbruchreifen Haus soll sich ein gutes Restaurant befinden? Doch Überraschung: Das Haus aus dem Jahr 1836 ist gar nicht abbruchreif, sondern vor gar nicht allzu langer Zeit saniert worden - allerdings so, dass der alte Charme erhalten wurde und die scheinbar verfallene Fassade zwischen all den neuen Häusern in der Straße richtig aus der Zeit gefallen wirkt. Für uns geht es bei schönstem Wetter ab in den idyllischen Innenhof, wo es sich an lauschigen Frühjahrs- und Sommertagen wunderbar sitzen lässt.

Altehrwürdig... Restaurant & Bar Raskolnikoff


Auch im Raskolnikoff wird auf Bio-Produkte, die saisonal und regional sind, geachtet. Die Speisekarte ist ein bunter Mix aus unterschiedlichen Stilrichtungen, wirkt jedoch liebevoll zusammengestellt. In Anlehnung an den Namensgeber gibt es einige osteuropäische Speisen, z.B. Borschtsch oder Pelmeni. Auch wir probieren einige unterschiedliche Pelmeni mit saurer Sahne, dazu die hausgemachte Limetten-Limonade. Schmeckt alles ausgezeichnet und erinnert mich daran, dass ich auch außerhalb der Tour bald mal wieder herkommen und den idyllischen Innenhof genießen sollte.

Dreierlei Pelmeni im Raskolnikoff

Für uns geht es nun quasi von Russland nach England, was in der Neustadt zum Glück nur eine Straßenecke voneinander entfernt ist. Denn direkt ums Eck in der Martin-Luther-Straße liegt der Tearoom, Buch- und Spezialitätenladen England, England. Die Besitzerin hat einige Jahre in England gelebt und sich nach der Rückkehr nach Dresden ihren Traum vom original englischen Café erfüllt, in das man zur klassischen Tea Time, aber natürlich auch einfach so auf ein Stück Kuchen oder ein Sandwich einkehren kann. Daneben gibt es britische Produkte zum Mitnehmen, englischsprachige Literatur und es finden regelmäßig Lesungen und kleine Konzerte statt. Der Tearoom lohnt in jedem Fall einen Besuch, nicht nur der heimeligen Atmosphäre mit Blümchentapete und Häkeldeckchen wegen, sondern... vor allem wegen des Carrot Cake! Einen so saftigen, würzigen, intensiven Carrot Cake mit traumhaft sündigem Frosting habe ich jedenfalls noch nie gegessen... ein Traum und wohl mein kulinarisches Highlight der ganzen Tour!


Ist es nicht hinreißend? Tearoom England, England

Ich bin mir sicher: Der beste Carrot Cake Dresdens!

Nach so viel Süßigkeiten geht es würzig weiter - direkt über die Straße im Zaffaran Gewürzatelier. Hier finden sich eine umfassende Auswahl von 200 Einzelgewürzen aus aller Welt, verschiedenste Sorten Salz und Pfeffer, aber auch Curry- und andere Gewürzmischungen, Dips und Saucen. Im Zaffaran habe ich früher schon häufiger eingekauft und freue mich, den Laden wieder einmal zu besuchen - jetzt liegt er mir leider nicht gerade auf dem Weg, so dass ich seit meiner Rückkehr nach Dresden tatsächlich noch nicht wieder dort war. Auch dieses Mal muss ich mich stark zusammenreißen, um nicht astronomische Summen für Gewürze auszugeben. Immer schön an die ohnehin aus allen Nähten platzenden Küchenschränke zuhause denken... Auch hier gibt es viele Gewürze, Gewürzmischungen, Aufstriche, Pasten und Saucen mit Brot zum Probieren. Es handelt sich dabei jedoch nicht um für uns speziell zusammengestellte Probier-Portionen, sondern um die Verkostungsmöglichkeiten, die es immer für Besucher des Ladens gibt. Mich begeistert insbesondere die Mango Chipotle Salsa, aber Vorsicht - hot!

Im Zaffaran Gewürzatelier

...wo soll man da nur zuerst zuschlagen?

Anschließend brechen wir zur letzten Station unserer Tour auf, die uns zur kleinen Confiserie Dresdner Schokoladenhandwerk an der Bautzner Straße führt. Die Inhaberin stammt aus Marokko, was man auch anhand der zahlreichen Gewürze, die in ihren Schokoladen-Kreationen Verwendung finden, erahnen kann. Wir probieren Chili-Schokolade sowie Himbeer-Pralinen mit Ganache-Füllung, und alles schmeckt absolut fantastisch. So richtig im siebten Himmel bin ich jedoch, als ich die Vollmilchschokolade mit Kaffee und Kardamom sowie die weiße Schokolade mit Maracuja und Mohn probiere (auch hier gibt es von fast allem Kostproben, die für Kunden bereit stehen). Davon muss jeweils eine Tafel mit... und den Laden, den ich ebenfalls noch nicht kannte, besuche ich ganz sicher wieder!

Himbeer-Ganache-Pralinen von Dresdner Schokoladenhandwerk

Damit sind wir auch am Ende unserer Tour angelangt... ein durchaus gelungener Neustadtspaziergang, kombiniert mit vielen Leckereien, gleichzeitig jedoch auch von der Umsetzung her etwas schwächer als die fantastischen Touren, die wir bereits in Rom und Ljubljana erlebt hatten. Positiv in Dresden war die sehr vielfältige Auswahl der Stationen, auch die Speisen waren von durchweg sehr hoher Qualität, und extrem lobenswert ist auch das kleine Booklet mit Infos zu allen Stationen, das wir mitnehmen konnten... das erleichtert es auch ungemein, einige Monate später über die Tour zu schreiben ;-) Etwas weniger gut bleiben uns die Gruppengröße, unser Guide sowie die ungleichmäßige Verteilung der Stationen im Gedächtnis - erst 1,5 Stunden mit knurrendem Magen, dann sechs Probier-Portionen in 1,5 Stunden. Da könnte man den Weg vielleicht etwas anders legen... Kann ich die Tour also insgesamt empfehlen? Ja - wenn auch mit diesen Einschränkungen. In jedem Fall war es spannend, einmal einen Tag auf "Touristenpfaden" in der Heimat zu verbringen, Altbekanntes wiederzuentdecken und Neues kennenzulernen. Danke an Eat the World für die abwechslungsreiche Tour!

*Es gibt auch noch andere Restaurants und Läden, die ab und zu Stationen der Neustadttour sind. Die Zusammenstellung wechselt. Also nicht wundern, wenn ihr die Tour buchen solltet und zu ganz anderen Fleckchen geführt werdet als wir ;-)

**Der Artikel gibt meine persönliche Meinung wieder und ist in keiner Weise mit Eat the World oder den Stationen der Tour abgestimmt oder von ihnen gesponsert. Ich bin nicht zur Tour eingeladen worden, sondern habe sie privat geschenkt bekommen und gebucht.

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